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Reisebericht zur Einzeldienstreise nach Dakar, Senegal vom 18.10.-22.10.2015

Gespräch mit Sagna, Präsident der Groupe de réflexion pour la paix en Casamance (GRPC)

I. Zusammenfassung

Die Einzeldienstreise nach Dakar, Senegal erfolgte vom 18. bis zum 22. Oktober 2015. Ziel der Reise waren politische Gespräche mit Regierungsvertretern und dem Präsidenten der Republik Senegal als auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft, Wissenschaftlern und im Senegal ansässigen internationalen Menschenrechtsorganisationen. Die Hauptgesprächsthemen waren die Migration von Afrika nach Europa, Hochschulkooperationen zwischen Deutschland und Senegal, die Situation in der Casamance und die menschenrechtliche und sicherheitspolitische Lage im Sahel.

 

II. Ergebnisse der Reise

Der direkte Austausch mit den Gesprächspartnern war sehr wichtig um Einblicke in die Schwerpunkte ihrer Arbeit zu erhalten. In Bezug auf das Thema Hochschulkooperationen konnte ich mitnehmen, dass die senegalesischen Partner wünschen Kooperationen mit Deutschland, über den Bereich der Erneuerbaren Energien hinaus, auf weitere Bereiche (wie Wasserversorgung, Berufsausbildung, Landwirtschaft, Gesundheit) auszubauen. Von vielen Gesprächspartnern wurde der Abzug des EZ-Referenten aus der deutschen Botschaft kritisiert.

 

III. Tagesberichte

1. Tag (18.10.2015)

Nach meiner Ankunft am Sonntagnachmittag begann das Programm mit einem Briefing durch den Botschafter Kampmann. Dabei wurde das umfangreiche und abwechslungsreiche Programm der Dienstreise besprochen.

Im Anschluss fand ein Gespräch mit Frau Lohmann, der Leiterin der Friedrich Ebert Stiftung (FES) in Dakar, statt. Sie wies mich auf die Situation von Menschrechtsorganisationen und den politischen Stiftungen im Senegal hin. Durch eine bevorstehende Gesetzesänderung ist der Status der politischen Stiftungen im Senegal nicht mehr gesichert. Frau Lohmann bat mich diesen Umstand im Gespräch mit dem Präsidenten anzusprechen. Des Weiteren informierte Frau Lohmann mich über die Arbeit der FES im Senegal. Diese unterstützt demokratische und soziale Reformprozesse und fördert mit ihrem Jeunes Leaders-Programm junge, engagierte Menschen beim Umgang mit gesellschaftspolitischen Fragen im Senegal.

2. Tag (19.10.2015)

Der zweite Tag begann mit einem Gespräch mit dem Generalvikar der katholischen Kirche in Dakar Diene zum Konflikt in der Casamance. Der ungelöste bewaffnete Konflikt in der Casamance stellt seit drei Jahrzehnten eine Herausforderung für die senegalesische Regierung dar. In diesem südlichen, durch Gambia geografisch nahezu abgetrennten Teil des Landes kämpfen Rebellengruppen des „Mouvement des Forces démocratiques de la Casamance (MFDC)“ mit dem Ziel der Unabhängigkeit der Region. Die Casamance unterscheidet sich vom Rest des Landes in ihrer historischen, wirtschaftlichen und ethnisch-religiösen Prägung. Seit dem Machtwechsel 2012 herrscht ein weitgehend eingehaltener de facto-Waffenstillstand. Die Regierung hat einer Vermittlung durch die mediationserprobte Laienorganisation Sant’Egidio zugestimmt. Im Gespräch hat mit dem Generalvikar versicherte mir dieser, dass sich die Katholische Kirche weiterhin in dieser Frage engagiert.

Nachmittags fand ein Gespräch mit fünf Wissenschaftlern der Universitäten Bambey und Dakar statt, das der Besprechung von Kooperations- und Unterstützungsmöglichkeiten diente. Beide Universitäten streben eine Partnerschaft mit der Beuth-Hochschule für Technik Berlin an. Mein Anliegen war es, beide Seiten noch näher zusammenzubringen.  Im Gespräch betonten die Wissenschaftler ihr Interesse an weiteren Kooperationen, die sich nicht nur auf den Bereich Erneuerbare Energien begrenzen.

Im Anschluss daran traf ich mich zum Gespräch mit dem Außenminister Ndiaye. Dieser teilte mir mit, dass unter den afrikanischen Staats- Regierungschefs Einigkeit darüber herrsche, auf dem Valetta-Gipfel nicht über die Rückführung von in Europa lebenden Afrikanern sprechen zu wollen. Man könne allerdings über neue Projekte und Unterstützung afrikanischer Staaten bei der Grenzkontrolle und bei der Schaffung von Bleibeperspektiven in Afrika reden, auch über die Schaffung von Möglichkeiten legaler Auswanderung nach Europa. Darüber hinaus informierte mich der Außenminister über die Bedeutung und Dimension der Aufnahme Senegals in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als nicht ständiges Mitglied.

Am Abend lud Botschafter Kampmann zu meinen Ehren zum Empfang. Hier hatte ich die Gelegenheit mit Vertretern der senegalesischen Zivilgesellschaft, der Vereinten Nationen, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, des Bundesministeriums für Entwicklung wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie mit Botschaftern verschiedener afrikanischer Staaten und Kanadas ins Gespräch zu kommen. Hauptgesprächsthemen waren die Geflüchteten-Thematik, die politische Partizipation von Zugewanderten sowie die Rolle der afrikanischen Diaspora im Integrationsprozess in Deutschland.

3. Tag (20.10.2015)

Am dritten Tag meines Aufenthalts traf ich den Präsidenten der Lesben/Schwulen/Bi-/Transsexuellen-Organisation AIDES Sénégal, Diouf. Das Gespräch fand in einer von außen nicht weiter erkennbaren Privatwohnung mit hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) betreut Homosexuelle, die von ihren Familien ausgestoßen und von der Gesellschaft nicht akzeptiert sind. Die Aktivisten bieten Schlafmöglichkeiten in ihren Büroräumen, betreuen Erkrankte, die z.T. auf Grund ihres Outings nur begrenzt Zugang zum Gesundheitssystem haben und engagieren sich teils öffentlich für die Rechte von Homosexuellen. Diouf berichtete, regelmäßig auf der Straße erkannt zu werden und auf Grund seiner sexuellen Orientierung z.B. an der Mitfahrt in öffentlichen Bussen gehindert zu werden. Er betonte ausdrücklich, dass die gesellschaftliche Diskriminierung in Senegal deutlich schlimmer sei als jene durch das Rechtssystem, das für sogenannte „actes contre nature“ Gefängnisstrafen vorsieht. Unterstützt wird die NGO u. A. von der niederländischen Botschaft und dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland. Diop bat um Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit für die Durchsetzung die Rechte Homosexueller im Senegal.

Anschließend traf ich mich zum Gespräch mit Sagna, dem Präsidenten der Groupe de réflexion pour la paix en Casamance (GRPC). Sagna und seine Konsultativgruppe sind von der Regierung beauftragt, im Casamance-Konflikt begleitend zu den über  Mediatoren angebahnten Gesprächen mit den Rebellen der Mouvement des forces démocratiques de la Casamance (MFDC)-Vertretern Lösungsvorschläge auszuarbeiten und möglichst in einen späteren Verhandlungsprozess einzubringen. Anders als Sant’Egidio (siehe unten), die nur mit dem Nord-Rebellenführer Salif Sadio verhandle und damit in einer Sackgasse stecke, sei GRPC an einer Lösung auch mit den drei anderen Rebellenführern interessiert. Insgesamt gebe es bis zu 3000 Rebellen, die schwer bewaffnet seien. Alle Rebellengruppen seien bereit, mit der Regierung zu verhandeln, größtes Hindernis für die Lösung des Konflikts sei jedoch die mangelnde Einigkeit unter den Rebellen.

Anschließend führte ich ein Gespräch mit dem Center for humanitarian Dialogue. Das Center ist eine in der Schweiz ansässige Stiftung, betreibt nach ihren Angaben in Dakar ein lokales Büro mit vier Mitarbeitern und engagiert sich ebenfalls in der Lösung des Casamance-Konflikts. Mit Mitteln aus dem EU „Instrument for Stability“ betreibt das hd Center ein Rehabilitierungsprogramm, das bereits 145 ehemalige Kämpfer außerhalb der Casamance in landwirtschaftlichen Berufen ausgebildet hat. Darüber hinaus versucht sich das hd Center ebenfalls als Mediator im Konflikt und in der Koordinierung der diversen Mediationsbestrebungen.

Das letzte Gespräch führte ich mich mit Mary Tew dem Minister für Hochschulwesen und Forschung.

Hochschulminister Niane nutzte das Zusammentreffen mit D. zur Vorstellung der Zukunftsstrategie im Hochschulbereich für die nächsten Jahrzehnte. Die senegalesischen Hochschulen hätten derzeit etwa 100.000-150.000 Studenten und würden alleine dieses Jahr, trotz hoher Durchfallquoten, 45.000 Abiturienten aufnehmen müssen. 70% der Studenten seien in geisteswissenschaftlichen Studiengängen eingeschrieben und verließen die Hochschulen ohne gesicherte Berufsperspektive. Um dem wachsenden demografischen Problem Herr werden zu können, führt Senegal derzeit sogenannte „Insituts supérieurs d’éducation professionelle“ ein, die Studenten in arbeitsmarktrelevanten Bereichen ausbilden. Auf Seiten der senegalesischen Hochschulen besteht großes Interesse an einer Kooperation mit Deutschland.

4. Tag (21.10.2015)

Am vierten Tag führte ich Gespräche mit Vertretern der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und des VN-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNHCHR). Ziel der Gespräche war es, ein umfassendes Bild über die Migrationsbewegungen aus Senegal sowie über Initiativen zur Verbesserung der Lage von potentiellen Migranten zu erhalten. Das lokale Büro der IOM arbeitet eng mit dem Arbeitsstab für Migranten im Präsidentenpalast zusammen und hat zuletzt die Rückführung von 400 senegalesischen Flüchtlingen aus Libyen organisiert und engagiert sich in der Reintegration von rückgekehrten Flüchtlingen. Unterstützung erhält die IOM dabei u. A. vom UNHCHR, das sich im Bereich des menschenrechtlichen Schutzes der Migranten einsetzt und von der Caritas Senegal, die eigene Rückkehrprogramme betreibt.

Während potentielle Migranten im Großraum Dakar relativ gut über mögliche Gefahren auf den Fluchtrouten informiert seien, sei unter der ländlichen Bevölkerung, besonders in den östlichen und südlichen Landesteilen, die Bereitschaft zur Migration deutlich höher, so die Leiterin des lokalen IOM-Büros. Sie unterstrich die Rolle von Überweisungen von Senegalesen, die im Ausland leben. Offiziell betrage die jährliche Summe dieser Transfers ca. 1,2 Milliarden EUR, die IOM gehe aber von ungefähr dem doppelten Wert aus.

5. Tag (22.10.2015)

Der letzte Tag meiner Dienstreise war für ein Gespräch mit dem Präsidenten Senegals, Sall, vorgesehen. Ich traf ihn am Rande der Eröffnungszeremonie der Africa Global Partnership Platform (AGPP) in Dakar. Besonders erfreulich war, dass der Präsident bei seiner Ansprache in der Konferenz, bei der ich selbst anwesend war, mich vorstellte und Deutschland für seine Offenheit auch in schwierigen Phasen und für seine Integrationsbereitschaft – von der meine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag beredtes Zeugnis ablege – lobte.

Im privaten Gespräch mit Sall beteuerte dieser im Ziel der Migrationsverhinderung mit Deutschland einig zu sein. Er warb für deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) bei dem senegalesischen Modell von ländlichen „Staatsgütern“, von denen es bereits zwei gebe (Casamance und Region Kédougou im Südosten). Hier werde Ausbildung in ländlichen Berufen zugleich mit effizienter Bewirtschaftung betrieben. Es handele es sich um jeweils 2000-ha-Güter, die je ca. 500 jungen Menschen Ausbildung und Arbeit böten. Er bat zu prüfen, ob die deutsche EZ sich auf diesem Sektor engagieren könnte. Denn mit der Festlegung des Senegals als „B-Staat“ der deutschen EZ, ist diese Zusammenarbeit auf den Ausbau der erneuerbaren Energie beschränkt. Zudem kritisierte Sall den Abzug des EZ-Mitarbeiters aus dem Senegal. Bezüglich der Casamance bekräftigte Sall die Linie der senegalesischen Regierung: Angesichts der schleppenden Fortschritte der Mediation wegen der Zersplitterung der Rebellen setze Dakar auf eine Steigerung der wirtschaftlichen Aktivitäten in der Region und ihre bessere Anbindung an den Rest des Landes. Das sei im Gange und habe schon jetzt dem Wunsch nach Unabhängigkeit oder Autonomie viel Wind aus den Segeln genommen. Gewalt sei lange ausgeblieben, der Staat werde auch nicht zu ihr greifen, die Lieferung neuer Waffen allerdings nicht dulden. Einen besonderen Einfluss der Auslands-MFDC (FRA, BEL, CHE, DEU) auf die örtlichen Rebellen sehe er im Gegensatz zu den übrigen Gesprächspartnern nicht.