Rede zur vereinbarten Debatte „Bekämpfung des Antisemitismus nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle“
Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren,
meine Gedanken sind bei den Angehörigen und Freunden der Opfer vom Anschlag in Halle.
An jenem Tag fuhr ich mit der Straßenbahn zu meinem Bürgerbüro, das vom Paulusviertel nur 5 Minuten entfernt liegt.
Meine Tochter rief mich später an und fragte:
„Wo bist Du, Papa? Du musst sofort nach Hause gehen. Es gibt eine Schießerei.“
Ich hörte die Angst aus ihrer Stimme.
Überall waren Polizeisirenen zu hören
Ich war schockiert.
Mein Team und ich haben uns im Büro eingeschlossen.
Stunden später erfuhr ich, was passiert war.
Ein von Hass und durch eine unmenschliche Ideologie getriebener Mensch wollte am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur Menschen töten.
Was ihn davon abhielt, war die fest verschlossene Tür der Synagoge.
In seinem Wahn ermordete der Täter dann zwei völlig Unbeteiligte:
Vor der Synagoge eine Hallenserin.
Und in einem Döner-Imbiss einen gerade 20 Jahre alten Merseburger,
der als Maler auf einer Baustelle in der Nähe arbeitete
Wir müssen jetzt aktiv werden:
Wir brauchen eine Stärkung der politischen Bildung und Medienbildung in Schulen und Jugendeinrichtungen
Wir brauchen eine bessere Präventionsarbeit
Und wir brauchen endlich ein Demokratiefördergesetz, das unsere Ministerin Franziska Giffey seit Längerem fordert.
Warum werden Organisationen nur von Jahr zu Jahr gefördert, wenn sie eine Daueraufgabe wie die Stärkung der Demokratie übernehmen?
Wir brauchen eine dauerhafte Förderung und zwar jetzt.
Wie Sie wissen, soll es Kürzungen bei der Antidiskrimierungsstelle des Bundes geben.
Für mich steht fest: Wir brauchen hier keine Kürzungen, sondern mehr Investitionen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
seit vergangenen Mittwoch ist Halle ruhiger, stiller geworden.
Ich spüre ein starkes Bedürfnis nach Zusammenhalt, zum Zusammenstehen
beim Gedenkgottesdienst,
bei der Lichterkette,
bei Mahnwachen.
Meine Damen und Herren,
jüdisches Leben ist in Halle mit einer aktiven Zivil- und Stadtgesellschaft eng verbunden.
Daran kann auch ein Terroranschlag nichts ändern.
Wir werden gemeinsam weiterhin mit der jüdischen Gemeinde:
den Marsch des Lebens organisieren, am Jerusalemer Platz gemeinsam dem Pogromverbrechen von 1938 gedenken.
Wir werden weiter jedes Jahr die Stolpersteine in unseren Straßen pflegen.
und wir werden in den kommenden Wochen die jüdischen Kulturtage feiern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am Wochenende werde ich wieder die Straßenbahn in Halle nehmen.
Der Anschlag hat etwas geändert.
Doch eins bleibt bestehen:
Die Gesellschaft lässt sich nicht spalten.
Die Hallenserinnen und Hallenser lassen sich nicht spalten.
Wir lassen uns nicht einschüchtern.
Wir werden zusammenhalten.
Halle bleibt weltoffen.
Danke!