Noch in der alten Bundesrepublik galt es als Faustregel: Zwischen Gewerkschaften und Sozialdemokratie passt kein Blatt Papier. Um Mitbestimmung, bessere Arbeitsbedingungen und gute Löhne kämpften die einen in den Betriebs- und Personalräten, die anderen im Parlament. Vielfach wurden Gewerkschaften sogar als „Rekrutenschule der Partei“ bezeichnet.
Im 21. Jahrhundert ist das Verhältnis zwar weiterhin eng, aber alte Selbstverständlichkeiten gelten nicht mehr. Zum Beispiel die Agenda 2010 ist in Gewerkschaftskreisen sehr kritisch aufgenommen worden. Und das Erstarken des Rechtspopulismus stellt auch die Gewerkschaften selbst vor Herausforderungen: Erstmals treten AfD-nahe Listen bei den in diesen Wochen stattfindenden Betriebs- und Personalräten an. Eine Gefahr ist das noch nicht, erklärt zwar der Münchner Arbeitssoziologe Dieter Sauer. Doch ein gewisses Potenzial ist vorhanden, wenn man sich das Abstimmungsverhalten der Gewerkschaftsmitglieder bei der letzten Bundestagswahl anschaut – 15 Prozent wählten damals AfD. Schon aus den „Mitte-Studien“ wissen wir, dass insbesondere die maßgeblichen Träger- und Funktionärsgruppen der Gewerkschaften überproportional anfällig für rechtsextreme Einstellungen sind.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der Internationalen Woche gegen Rassismus war ich am 26. März von der IG Metall ins VW-Werk nach Wolfsburg eingeladen worden, um vor 400 Beschäftigten eine Rede zu halten. In dieser habe ich mich auch mit der Forderung aus rechten Kreisen befasst, wonach die Gewerkschaften sich aus der Politik herauszuhalten haben.
Meine Meinung ist: Die Aufgabe von Gewerkschaften ist es nicht, außerhalb des Politischen zu stehen, sondern innerhalb. Sie sollen nicht nur Sozialpolitik machen, sondern auch Gesellschaftspolitik. Gewerkschaften und Betriebsräte sind nicht zuletzt wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Ich bin selbst Mitglied der IG BCE und kenne die Herausforderungen der Gewerkschaften und Beschäftigten vor allem im Osten Deutschlands. Hier gibt es weniger Tarifverträge, weniger Betriebsräte und damit auch weniger Mitbestimmungsrechte der Beschäftigen als im Westen des Landes.
Dass das nicht mehr so bleibt, ist die gemeinsame Aufgabe von Gewerkschaften und Sozialdemokratie. Dafür will ich mich weiterhin einsetzen. Im stetigen Austausch mit dem DGB in der Stadt und in der Region sowie den acht Einzelgewerkschaften legen wir gemeinsam den Grundstein für gute Arbeit und guten Zusammenhalt.