Meine Rede auf der bundesweiten Vorbereitungstagung zur Interkulturellen Woche 2019: AG 2 Demokratie im Widerstreit mit dem Rechtspopulismus am 15.02. in Berlin-Spandau
Liebe Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
vielen Dank für die Einladung zu dieser Tagung.
Ich werde manchmal gefragt, ob sich mein Leben als Bundestagsabgeordneter verändert hätte.
Meine Antwort lautet dann immer: Ja.
Hassbotschaften und Morddrohungen erreichen mein Büro.
In den sozialen Medien ist in vielen Diskussionen der Anstand verloren gegangen. Man beschimpft sich.
Mein Eindruck ist: Es gibt keinen Wettstreit mehr um Argumente, sondern nur noch um Standpunkte.
Im Wahlkampf 2017 veröffentlichte die NPD auf ihrer offiziellen Facebook-Seite ein Foto von meinem Plakat.
Darunter stand:
„Deutsche‘ Volksvertreter nach heutigem SPD-Verständnis“. Wie heißt es doch: ‚Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!‘
Unter diesem Post standen die schlimmsten Kommentare, die man sich denken kann.
Ich habe darauf geantwortet und denen gesagt,
dass nicht „die Herkunft oder die Hautfarbe darüber entscheidet, wer Abgeordneter wird,
sondern die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes,
die mit überwältigender Mehrheit für eine offene und solidarische Gesellschaft einstehen.“
Die gute Botschaft ist:
Danach haben mir 30 000 Menschen geschrieben und ihre Solidarität ausgedrückt.
Machen wir uns aber nichts vor:
Es gibt Verunsicherungen im Leben.
die Berechenbarkeit nimmt ab,
die Freiheit nimmt zu,
die Sicherheit nicht.
Die entscheidende Frage, die ich mir stelle, ist:
Wie groß ist die Kraft, diese Verunsicherungen, die das moderne Leben mit sich bringen, auszuhalten?
Es gibt die starke Suche nach autoritären Angeboten. Das hat auch die Leipziger Autoritarismus-Studie gezeigt.
„Einstiegsdroge“ in den Rechtsextremismus sei die Zustimmung zur Aussage, dass Deutschland durch Ausländer in gefährlichem Maße „überfremdet“ sei.
Fast jeder Zweite im Osten und knapp jeder Dritte im Westen teilt diese Haltung explizit.
Insgesamt können sich 40 Prozent der Deutschen vorstellen, in einem autoritären Regime zu leben.
Diesen Eindruck erleben wir in den vergangenen Jahren verstärkter.
Vor allem durch eine Partei, die seit 2017 im Bundestag sitzt und mittlerweile in allen Landtagen vertreten ist.
Gefährlich ist auch das, was in unserem toten Winkel passiert.
Wir erleben, dass auch demokratische Parteien die Positionen der Rechtsextremen übernehmen –
zum Beispiel, wenn es um Abschiebungen geht,
um die Schaffung von Sicherheit und Ordnung.
„Ideologisch entkleidet von den überschüssigen Vokabeln und Parolen“ der Rechtsextremen, nannte es der Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer. Aber es passiert auch viel auf der anderen Seite.
Das ist die zweite gute Botschaft:
Ein großes Beispiel der Hoffnung sind die #unteilbar-Demos.
In Berlin waren über 250 000 Menschen da und sie haben gezeigt, dass die überwältigende Mehrheit der Gesellschaft für eine offene und solidarische Gesellschaft ist.
Beim Konzert in Chemnitz im September 2018 sind 65000 Menschen zusammengekommen.
Diese Menschen haben gezeigt,
dass wir keinen Hass mehr wollen, sondern mehr Respekt,
dass wir keine Spaltung mehr wollen, sondern mehr Zusammenhalt.
Liebe Damen und Herren,
ich habe es auch schon anderswo häufiger gesagt und ich sage es auch hier noch mal:
Dieses Land ist zu schön, um es den Hassern und Spaltern zu überlassen.
Deshalb:
Es lohnt sich, weiterhin um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu kämpfen.