Nach einer aktuellen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hat nahezu jede und jeder Dritte in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung erlebt. Dabei stellte sich das Diskriminierungsrisiko im Arbeitsleben als besonders hoch heraus. Dies gilt vor allem beim Einsatz von Fremdpersonal im Niedriglohnsektor, das im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen nicht durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) geschützt ist.
Zehn Jahre nach Inkrafttreten des AGG spricht sich die Antidiskriminierungsstelle des Bundes daher für eine Reform des Gesetzes aus. Sie stützt sich dabei auf Ergebnisse eines unabhängigen Evaluierungsgremiums. Diese Evaluation ist nicht nur eine rechtliche und tatsächliche Bestandsaufnahme, sondern auch eine Handlungsempfehlung an den Gesetzesgeber. Demnach müssten Schutzlücken geschlossen werden, damit Betroffene wirksamer gegen Diskriminierung vorgehen können. Dennnoch sind die Hürden zu hoch, um rechtliche Schritte gegen Diskriminierung einzuleiten.
Stärkung von Beschwerderechten durch Einführung des Verbandsklagerechts
„Den Weg zum Gericht können viele Betroffene nicht alleine beschreiten. Oft mangelt es an Wissen, finanziellen Mitteln und schlicht an der Zeit, um die eigenen Rechte durchzusetzen. Für einen effektiven Rechtsschutz müssen daher qualifizierte Verbände Prozesse im Namen von Betroffenen führen können“, fordert Karamba Diaby. Die Evaluation sieht in diesem Sinne auch die Ausweitung des Mandats der ADS vor. So soll die ADS zukünftig ein Akteneinsichts- und Auskunftsrecht sowie die Kompetenz erhalten, Betroffene bei Klagen durch Stellungnahmen und Rechtsgutachten vor Gericht zu unterstützen.
„Wir Parlamentarier müssen diese Empfehlungen zur AGG-Reform aufgreifen, um unsere Gesellschaft noch inklusiver zu gestalten. Denn es ist eine Frage des sozialen Zusammenhalts Gleichberechtigung und Teilhabe in allen zivilrechtlich geregelten Bereichen des Lebens zu fördern“, erklärt Karamba Diaby.
Angemessene Vorkehrungen: Barrierefreiheit stärken
Auch die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung hat sich in Deutschland vielerorts noch nicht durchgesetzt. Die Evaluation empfiehlt, im AGG klarzustellen, dass es eine verbotene Diskriminierung darstellt, wenn Menschen mit Behinderung diese angemessenen Vorkehrungen versagt werden. Damit wäre es im Einzelfall vor Gericht einklagbar, wenn Maßnahmen zur Überwindung von Barrieren für Menschen mit Behinderungen unterlassen werden.
Rassistische Diskriminierung und ethnische Herkunft
Der in § 19 Abs. 3 AGG enthaltene besondere Rechtfertigungsgrund für die Vermietung von Wohnraum und die in § 19 Abs. 5 AGG geregelten Ausnahmen bei Nähe- und Vertrauensverhältnissen sollten für die Kategorien „Rasse“ und ethnische Herkunft ersatzlos gestrichen werden. „Denn es kann nicht sein, dass einem Mieter auf Grund rassistischer Merkmale eine Wohnung verweigert werden kann“, kritisiert Diaby.
Zur Einführung des AGG
Mit dem Inkrafttreten des AGG am 18.08.2006 wurde erstmalig der Schutz vor Diskriminierung im zivilen Rechtsverkehr umfassend gesetzlich geregelt. Laut § 1 AGG ist es Ziel des Gesetzes, jegliche „Benachteiligungen aus Gründen der ,Rasse‘ oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. Neben den inhaltlichen Bestimmungen muss auch dieser allgemeine Teil des AGG angepasst werden. So ist es nicht mehr zeitgemäß von „Benachteiligung“ statt von „Diskriminierung“ oder von „Rasse“ statt rassistisch zu sprechen. „Denn es sollte zum Ausdruck kommen, dass es sich beim AGG um ein Antidiskriminierungsgesetz handelt, dessen Begriffe klare Zeichen an Personen setzen, die diskriminiert worden sind“, so Diaby abschließend.